Fahrplan für den Klimaschutz
Seit Oktober 2022 gibt es für Boizenburg ein Klimaschutzkonzept. In einer engen Zusammenarbeit mit Politik und Stadtgesellschaft hat die Verwaltung darin zusammengefasst, welche nächsten Schritte im kommunalen Klimaschutz getan werden müssen. Eine Kurzfassung der Inhalte findet sich hier, das gesamte Konzept gibt es auch zum Download:
Die Erstellung des Klimaschutzkonzepts wurde über die Nationale Klimaschutzinitiative gefördert. In dem Erarbeitungsprozess, der von der Klimaschutzmanagerin organisiert wurde, war eine breite Beteiligung wichtig, um einen möglichst umfassenden Überblick über die vorhandenen Potentiale zu erhalten. In insgesamt fünf Treffen wurden in der AG Klimaschutz (einer Gruppe aus jeweils zwei Mitgliedern der vier Fraktionen in der Stadtvertretung) Schwerpunkte diskutiert und Impulse gesetzt. In zwei öffentlichen Foren wurden zudem Stimmen aus der Stadtgesellschaft eingesammelt. Und auch im Austausch mit Mitarbeitenden der Stadtverwaltung und Unternehmen konnten wichtige Erkenntnisse für Klimaschutzmaßnahmen erarbeitet werden.
Das Konzept beginnt mit der Erfassung der Ausgangslage, gefolgt von städtischen Klimazielen und den Handlungsfeldern und Maßnahmen, die in den nächsten Jahren angegangen werden sollen. Auf den ca. einhundert Seiten steht eine ganze Menge, deswegen sind hier die wichtigsten Inhalte zusammengefasst:
Ausgangslage
Zur Erfassung der Ausgangslage wurde eine Energie- und Treibhausgasbilanz erstellt. Diese zeigt auf, welche Emissionen auf den Strom- und Wärmeverbrauch im Stadtgebiet zurückzuführen sind und wie hoch in etwa die Emissionen aus dem örtlichen Verkehr sind. Alles andere, wie Konsum, Fernreisen der Boizenburger:innen oder Landwirtschaft kann nur schwer erfasst werden und wurde nicht weiter betrachtet. Nur weil sich diese Zahlen nicht darstellen lassen, heißt das aber natürlich nicht, dass sich hierauf kein Einfluss nehmen lässt.
Die Energiebilanz erfasst die Energieverbräuche, die im Stadtgebiet entstehen, unterteilt nach den verschiedenen Energieträgern (bspw. Erdgas, Öl, Solarenergie). Jeder Energieträger hat einen spezifizischen Emissionsfaktor, der aussagt, wie hoch die Menge an Treibhausgasen (Abk.: THG) ist, die bei der Energiegewinnung aus diesem Stoff freigesetzt wird. So haben Kohle und Erdgas einen hohen Emissionsfaktor, Wind- und Solarenergie einen sehr niedrigen. Anhand dieser Faktoren lässt sich dann berechnen, wie hoch die Emissionen in der Stadt insgesamt sind. Weitere Informationen zur Methodik finden sich im Konzept in Kapitel 2.3.
Bei einem Energieverbrauch von 424.000 MWh in 2019 ergibt sich eine Emissionsmenge von 125.000 Tonnen CO2 Äquivalent (tCO2e) im Bereich Strom, Wärme und Verkehr. Davon entfällt ca. die Hälfte auf die Industrie, jeweils etwa 20% auf Haushalte und Verkehr. Der Rest entsteht im Bereich Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Auffällig ist, dass die Emissionen in Boizenburg etwa doppelt so hoch sind wie in Lauenburg – bei etwa gleicher Einwohnerzahl. Das liegt jedoch vor allem an den angesiedelten Industriebetrieben. Im Bereich der Haushalte und und Verkehr sind die absoluten Zahlen ähnlich.
Klimaziel – warum 2035?
Im Zuge der Konzepterstellung wurde sich auch ein Ziel für die Klimaneutralität gesetzt. Deutschland hat sich vorgenommen, bis 2045 klimaneutral zu werden. Während es in Mecklenburg-Vorpommern aktuell noch kein Klimaschutzgesetz gibt, sieht der Koalitionsvertrag vor, dass das Land bis 2040 klimaneutral wird, im Bereich von Strom, Wärme und Verkehr bereits bis 2035.
Grundsätzlich geht es beim Klimaziel nicht unbedingt um eine Jahreszahl – wichtiger ist die Menge an Treibhausgasen, die bis zu diesem Jahr noch ausgestoßen wird, das sogenannte CO2-Budget. Viele Studien (z.B. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Seite 23) gehen davon aus, dass das deutsche Budget zur Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens bei einer zügigen, gleichmäßigen Reduzierung zwischen 2030 und 2040 aufgebraucht ist. Aus diesem Grund wurde das Jahr 2035 für Boizenburgs Zielerreichung eingesetzt.
Klar sollte in diesem Zusammenhang sein, dass die Zielerreichung von verschieden Faktoren abhängt, die nur bedingt im Einflussbereich von Kommunalpolitik und Stadtverwaltung liegen. Es braucht sowohl von Landes- und Bundesebene Unterstützung, als auch von den Boizenburger:innen. Das 2035-Ziel kann daher vor allem als Willensbekundung verstanden werden, sich hierfür einzusetzen.
Maßnahmen und Handlungsfelder
Aus der Bestandsaufnahme und dem Klimaziel ergibt sich ein Handlungsbedarf, der im Konzept durch Handlungsfelder und Maßnahmen konkretisiert wird. Hier werden die Handlungsfelder kurz beschrieben – wen die Maßnahmen im Detail interessieren, guckt am besten in das Konzept.
Klimaneutrale Stadtverwaltung
Das Handlungsfeld Klimaneutrale Stadtverwaltung fokussiert sich auf die Rolle der Stadt als Vorbild und Verbraucherin. Hier gibt es fünf Bereiche, in denen direkt oder indirekt Treibhausgase verursacht werden: die eigenen Liegenschaften, die Straßenbeleuchtung, Vergabe & Beschaffung, Veranstaltungen und die betriebliche Mobilität. Dazu kommt als Instrument die Prüfung von Beschlussvorlagen auf deren Klimawirkung.
Die Energiewende aktiv mitgestalten
Die Energiewende ist ein zentraler Baustein für erfolgreichen Klimaschutz, der auch lokal gut umsetzbar ist. Neben der Reduzierung von Treibhausgasen hat sie weitere Vorteile: lokale Energieerzeugung schafft Wertschöpfung vor Ort und mindert die Abhängigkeit von Energieimporten und Preisschwankungen. Für eine stabile, abgesicherte Energieversorgung kann sie somit ein wichtiger Baustein sein.
Durch hohe Investitionskosten (trotz langfristiger Rentabilität) und bürokratische Hürden wird die Umsetzung der Energiewende für Menschen vor Ort jedoch erschwert. Hinzu kommt, dass bei größeren Projekten bisher wenige lokale Beteiligungsmöglichkeiten bestehen oder diese unzureichend genutzt werden. Was dann bleibt, sind optische, häufig als negativ empfundene Veränderungen. Durch planerische und koordinierende Maßnahmen kann die Stadt hier unterstützen. Fokussiert werden sollen insbesondere Beteiligungsmöglichkeiten an Ausbauprojekten, Richtlinien für die Bauleitplanung und das Voranbringen der Wärmewende.
Klimafreundliche Mobilität
Klimafreundliche Mobilität im ländlichen Raum ist kein leichtes Unterfangen. Hier wird der Fokus darauf liegen, Bedingungen für den Umweltverbund zu verbessern. Das beinhaltet beispielsweise, dass in der Sanierung von Straßen darauf geachtet wird, den Rad- und Fußverkehr zu genüge zu berücksichtigen. Außerdem wird die Verknüpfung verschiedener Mobilitätsformen unterstützt. Besonders hilfreich für die Erarbeitung dieser Maßnahmen waren die zahlreichen Einsendungen im Rahmen der Umfrage „Boizenburg fährt vor“. Vielen Dank dafür!
Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe
Klimaschutz geht besser gemeinsam – seien es Carsharing, Flohmarkt oder Energiegenossenschaften. Und wie gesagt, auch die Zielsetzung „Boizenburg klimaneutral bis 2035“ ist nicht alleine von Verwaltung und Politik umzusetzen, sondern braucht die Zusammenarbeit aller. Hierbei kann das Klimabüro unterstützen, beispielsweise durch Informationsveranstaltungen, Fördermöglichkeiten oder Kooperationen. Bei Ideen sind wir immer gerne Ansprechpartner:innen!
Anpassung an den Klimawandel
Mit dem PLATZ-B Projekt ist Klimaanpassung ja schon länger ein Thema in Boizenburg. Perspektivisch soll es darum gehen, diese Arbeit in der Verwaltung zu verstetigen, begonnene Projekte fortzuführen und neues zu starten. Hierzu gehören beispielsweise die Weiterführung planerischer Instrumente, Präventitionsmaßnahmen für den Umgang mit Hitze und der Wasserspielplatz.
Wie geht es jetzt weiter?
Nachdem das Klimaschutzkonzept in der Stadtvertretung beschlossen wurde, geht es nun an die Umsetzung. Federführend verantwortlich ist das Klimaschutzmanagement, das für drei weitere Jahre vom Bund gefördert wird. Wer mit anpacken möchte, ist herzlich dazu eingeladen!
Boizenburg klimaneutral 2035?!
Unter diesem Motto fand die erste Veranstaltung der Klimawerkstatt statt. Die Freiwilligen der Klimawerkstatt moderierten durch den Abend. Zunächst wurde das Klimaschutzkonzept vorgestellt und was sich daraus konkret für Boizenburg ergibt. Anschließend fanden sich der Bürgermeister Rico Reichelt, Heidrun Dräger (SPD), Daniel Kleeblatt (BfB) und Lutz Heinrich (CDU) zu einer Podiumsdiskussion auf der Bühne zusammen. In dieser Diskussion sollten die Teilnehmenden ihren persönlichen Klimafokus für die nächsten Jahre setzen, besprechen was es ihrer Meinung nach für eine Klimaneutralität 2035 braucht und berichten, was konkret für die nächsten Sitzungen geplant ist. Alles in allem ein runder Abend, bei dem das Klimaschutzkonzept der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und Grundlage für Diskussion bat.
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