Risikoanalyse Starkniederschlag für Boizenburg: Zwischen Starkregen und Trockenheit
Dieser Sommer hat es einmal mehr gezeigt: Extremwetterereignisse wie die monatelange Dürre sind Alltag geworden. Im Angesicht dieser Ereignisse, die neben Dürren auch Hitzewellen, starke Regenfälle oder Hochwasser umfassen, gilt es, durch präventives Handeln die Folgen dieser Extremwetterereignisse zu mildern und nach unseren Vorstellungen auszugleichen. Seit September 2022 hat die Stadt dafür eine Starkniederschlagsanalyse zur Verfügung. Diese Analyse könnt ihr gut zusammengefasst in diesem Video ansehen. Mithilfe der Risikoanalyse lassen sich zukünftige Entwicklungen besser auf Gefahren bewerten oder aber schon jetzt gefährdete Orte mit Maßnahmen versorgen. Was genau drin steht und wie man die Karten liest, erklären wir hier.
Starkregenanalyse zum Download
Was ist eine Starkniederschlagsanalyse?
Die Analyse bewertet den Ist-Zustand des Stadtgebietes bei Starkniederschlägen. Die Bewertung erfolgt mithilfe eines Computermodells, der Tygron Engine. Die Tygron Engine ist eine 3D Geodesign Plattform mit einer Cloud-Computing Technologie. In das Modell fließen Daten über Infiltration, Grundwasserabfluss, Verdunstung und hydraulische Strukturen und diese werden mit einer Auflösung von 1m x 1m dargestellt.
Das Modell zeigt die Gebiete auf einer Karte, die von erhöhten Wassermengen betroffen sind, wenn über dem Stadtgebiet eine Stunde lang eine gewisse Wassermenge gefallen ist und dann eine Stunde nachgelaufen ist. Das Kanalnetz spielt hierfür keine Rolle, weil man bei Starkregen immer davon ausgehen darf, dass der Regen in kürzester Zeit die Kapazitäten auslastet.
Was zeigt die Starkniederschlagsanalyse für Boizenburg?
Noch gibt es für solche Analysen in Mecklenburg-Vorpommern keine generellen Vorgaben. In Boizenburg/Elbe haben wir darauf geachtet, dass die Flüsse Elbe, Sude und Boize sowie unsere Gräben (Wallgraben und Gammgraben) einbezogen werden. Für die Wassermenge des Regens war uns wichtig einen Blick in die zukünftigen Extremfälle zu werfen, die durch den weiter voranschreitenden Klimawandel wahrscheinlicher werden.
Mit diesem Grundverständnis gehen wir von einem 100jährigen Starkregenereignis mit einem 20%igen Klimawandel-Aufschlag aus. Das ergibt 57mm/h Regen auf das Stadtgebiet Boizenburgs. Das Wasser fließt entlang der Rinnsysteme und natürlichen Oberflächenstrukturen bis in tiefer gelegene Punkte und sammelt sich dort an.
Insgesamt schauen wir uns zwei unterschiedliche Fälle an:
Szenario 1: Hohe Wasserstände
Dem Starkregenereignis gehen Tage voraus, die normale bis leicht erhöhte Niederschläge haben. Die Wasserstände der kleinen Flussläufe sind maximal gefüllt. Die Elbe hat einen Stand von 9,8 m ü. NHN. Die oberen Bodenschichten sind gut durchfeuchtet und nehmen in normaler Geschwindigkeit weiteres Wasser auf (=Infiltrationsgeschwindigkeit).

Die entsprechenden Resultate, die im Video zusammengefasst wurden, zeigen Stellen innerhalb der Stadt, die bei einem Starkregenereignis unter Wasser stehen.
Szenario 2: Niedrige Wasserstände
Dem Starkregenereignis gehen Tage voraus, die sehr trocken waren, ähnlich wie im Sommer von 2019 und 2022. Die Wasserstände der kleinen Flussläufe sind niedrig Die Elbe hat einen Stand von 7,2 m ü. NHN. Die oberen Bodenschichten sind stark ausgetrocknet und stoßen Wasser eher ab, als dass sie es aufnehmen können (=Infiltrationsgeschwindigkeit).

Was nehmen wir für Boizenburg mit?
Beide Szenarien zeigen, dass vulnerable Stellen vor allem dort auftreten, wo hohe Versiegelungen zu finden sind oder Kanalsysteme schnell überlastet sind – hier sind vor allem die Straße vor dem Krankenhaus und der Bereich Grüner Weg/ Schwartower Straße zu erwähnen. Neben diesen vulnerablen Schnittstellen gibt es auch Grünflächen, wie die Festtagswiesen, Albrecht’sche Wiese oder Ziegenwiese rund um die Altstadt, die wichtige Auffangfunktionen im angenommenen Szenario übernehmen. Im Vergleich zu versiegelten Flächen leisten Grünflächen einen wichtigen Mehrwert, um die umliegenden Flächen vor den Wassermengen zu bewahren.
Aber nicht nur für die Stadt und Bauplanungen ist diese Risikoanalyse interessant. Auch für Unternehmen und ihre Gelände gibt es Aufschluss über Gefahren für Güter und Abläufe, genauso wie Potentiale für Regenwassernutzung der Dachflächen. Privatgrundbesitzer sollten mithilfe der Karte einen Blick auf mögliche Eintrittswege von Wasser in den Keller oder Garagen bewerten. Unsere Freiwillige Feuerwehr hat mithilfe der Karten wichtige Anhaltspunkte für ihre Pläne zur Gefahrenabwehr. Mit den Ergebnissen der Starkregenanalyse hat Boizenburg ein wichtiges Werkzeug für eine klimaangepasste Stadtentwicklung.
Interessante Links zum Thema haben wir hier zusammengestellt:
- Checkliste für ihr Grundstück, um fit zu sein für ein Starkregenereignis
- Haus und Grund vor Starkregen schützen – Worms
- Wie schütze Ich mein Haus vor Starkregenfolgen?
Veranstaltungen zu Wasser in Boizenburg
Am 14.09.2022 fand im Kino Boizenburg die Vorstellung der Starkregenanalyse statt. Dazu war Janna Gehrke vom Climate Service Center (GERICS) aus Hamburg angereist. Das GERICS ist bereits seit 2019 ein wichtiger Netzwerkpartner für Boizenburg und wird gerne zur Beratung hinzugezogen. Janna Gehrke gab nochmal grundsätzlich einen Überblick, wie wir in Zukunft mit dem Fakt umgehen können, dass in Dürrezeiten zu wenig Wasser verfügbar ist, aber während Ereignissen wie Starkregen oder Hochwasser zu viel Wasser im Stadtgebiet vorhanden ist. Entsprechende Speichermaßnahmen, um Boizenburg zu einer Schwammstadt zu machen, wurden von Janna Gehrke vorgestellt und anschließend mit den rund 30 anwesenden Bürger:innen diskutiert. Zum Thema Schwammstadt wird in naher Zukunft ein weiterer Beitrag erscheinen, der beleuchtet welche Maßnahmen für Boizenburg sinnvoll sind – bleibt gespannt!
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